StadtLab am Markt

Zwischen Nostalgie und Neuanfang

Für viele geht das Wort „Innenstadt“ mit einer klaren Vorstellung einher. Sie sehen diese als einen Ort für lebendiges Shopping, quirlige Cafés und buntes Treiben. Besonders der Marktplatz zeigt sich als imaginäres Idyll gutgelaunter Händler:innen, rustikaler Gastbetriebe und gepflegter Häuserzeilen. Definitiv ist diese „gute Stube der Stadt“ in keinem Vorstellungsspektrum von Leerstand bedroht. Auch Internetshopping und Lieferdienste drängen sich nur selten ins Bewusstsein. Die Realität ist jedoch häufig eine andere. Allerorts schließen kleine Läden, finden keine Nachfolger:innen, scheitern an hohen Kosten oder günstiger Konkurrenz. Seit vier Jahren stand in Jena die Ratszeise leer – ein wahres Traditionsgasthaus, mitten im historischen Rathausgebäude. Ein Ort mit einer langen Küchengeschichte, der ideal in die Wunschszenerie der perfekten Innenstadt zu passen schien.

Seit März 2025 löst hier nun das StadtLab unter der Jenaer Wirtschaftsförderung die sepiafarbene Vorstellungsbeschichtung der Immobilie. Statt Klöße werden in den frisch gestrichenen Räumen nun Ideen und Projekte produziert. Nicht für alle ist dies leichte Kost. Doch viele sehen im Leerstand auch eine Gelegenheit, urbane Räume neu zu denken und sie nachhaltiger sowie vielfältiger aufzustellen, um so bekannte städtische Treffpunkte als soziale Orte zu erhalten. Dass dies funktionieren kann, zeigte sich schon mit dem ersten Standort des StadtLab Jena in der Löbderstraße. Hier konnten seit Juni 2023 bereits zahlreiche Ideen umgesetzt werden.

Zur Eröffnung des StadtLab am Markt sind daher zahlreiche Gäste geladen, die mit der Stadt oder dem Projekt in Verbindung stehen. Neben politisch Verantwortlichen und innerstädtischen Geschäftsleuten kommen an dem Abend auch viele Jenaer Bürger:innen. Schnell erhebt sich in den Räumlichkeiten ein wildes Stimmengewirr. An Gesprächsstoff mangelt es nicht. Immerhin kamen die meisten Gäste bereits persönlich mit dem Konzept „StadtLab“ in Berührung und sehen hier insbesondere die partizipativen Möglichkeiten für Jena.

Gedanken zum neuen StadtLab

Projekt-Promotion
Eine Frau mit Fahrradhelm lächelt in die Kamera.
Marlis Friedrich
Radeln ohne Alter Jena

Zu den Eingeladenen gehört auch Marlis Friedrich, die sich für das Projekt „Radeln ohne Alter“ der Jenaer Bürgerstiftung engagiert. Dessen Absicht ist es, mit Hilfe einer E-Fahrradrikscha ältere Menschen dazu zu motivieren, ihre Stadt wieder zu erleben. „Uns geht es nicht nur darum, der Vereinsamung älterer Menschen entgegenzuwirken, sondern auch darum, diese wieder am Stadtleben teilnehmen zu lassen. Überhaupt hat das Projekt viel mit Sichtbarkeit zu tun: Wir möchten unsere Stadt lebendiger gestalten, indem wir Geschäfte miteinander verknüpfen und diese den älteren Menschen zugänglich machen. Denn sie sind zwar Teil der Stadt, nehmen aber nicht mehr am Stadtleben teil, wenn sie nur in ihren eigenen vier Wänden sind. Das bietet auch weitere Chancen, beispielsweise Jung und Alt wieder miteinander zu verbinden, sich Geschichten der älteren Menschen anzuhören und diese wertzuschätzen. Mit unseren Rädern wollen wir wieder den Wind in den Haaren und Fröhlichkeit schenken. Wir wollen Lebensfreude in die Stadt bringen, denn die fängt immer bei den Menschen an.“
Man spürt, welch Herzensprojekt dies für Marlis Friedrich ist und welchem sie unbedingt mehr Raum im Stadtgebiet geben möchte. Dafür hat sich das Team „Radeln ohne Alter“ bereits eine Woche im bestehenden StadtLab in der Löbderstraße eingemietet. „Das war eine tolle Gelegenheit, um möglichst viele Menschen zu erreichen, die sich an dem Projekt beteiligen und es unterstützen möchten.“

Sichtbarkeit für Menschen mit Behinderung
Eine Frau lächelt in die Kamera.
Susann Prager
Grenzenlos e.V.

Auch Susann Prager vom Jenaer Grenzenlos-Verein sieht das StadtLab als gute Möglichkeit, sowohl die Sichtbarkeit ihres Vereins zu erhöhen als auch die durch den Verein betreuten Menschen stärker in das Konzept Innenstadt einzubinden. „Wir betreuen verschiedenste Menschen, die wiederum unterschiedlichste Beeinträchtigungen haben. Im Rahmen des Teilhabezentrums, welches wir gerade aufbauen wollen, möchten wir unseren gesetzlich betreuten Klienten eine stärkere Tagesstruktur geben. So haben wir das StadtLab bereits ein paar Mal als Treffpunkt genutzt. Dort wurde gemeinsam gebacken und gekocht. Ehrlicherweise muss man sagen, dass das gar nicht so einfach ist, da die Klienten psychisch erkrankt sind und oft der innere Antrieb fehlt, um aus ihren eigenen vier Wänden herauszukommen. Es gehört viel Arbeit dazu, die wir jedoch auf uns nehmen, um diesen Teufelskreis zu unterbrechen. Oft fahren wir die Klienten daher zu solchen Ereignissen, damit die Motivationshürde des Herkommens für sie wegfällt. Es ist uns einfach wichtig, dass sie teilnehmen. Im Moment konnten wir auch zwei Ehrenamtliche gewinnen, die in den drei Wochen vor Ostern in der Rathausgasse Dinge anbieten, die von unseren Klienten angefertigt wurden. Dazu gehören beispielsweise Näharbeiten. Wir bieten auch den Service von Reparaturen an, und natürlich gibt es immer eine Tasse Kaffee, um mit uns ins Gespräch zu kommen.“

Licht in der Lichtstadt
Ein junger Mann hält einen Lichtstab in der Hand.
Dimitri Engelhardt
Lichtinstallation

In besonderer Rolle ist Dimitri Engelhardt zur Einweihung des neuen StadtLabs geladen. Sein Beitrag ist gleich im Eingangsbereich sichtbar: Von ihm eigens produzierte, bunte LED-Stäbe aus dem 3D-Drucker setzen diesen stylisch in Szene. Darauf angesprochen, erzählt er: „Für mich muss das Thema Licht in einer Stadt wie Jena, die sich sogar ‚Lichtstadt‘ nennt, einfach eine größere Rolle spielen. Ich wohne hier seit 2012 und fand irgendwie: ‚Hier muss man mehr Licht machen.‘ Ich habe vor circa zehn bis zwölf Jahren angefangen, mich damit zu beschäftigen, und freue mich immer, wenn meine Installationen auch auffallen. Im Gegensatz zur Musik beispielsweise wird das Licht nämlich bei einer Veranstaltung häufig einfach hingenommen. Dabei trägt es maßgeblich zur Atmosphäre bei.“ Auch er sieht im StadtLab eine Möglichkeit, seine städtische Vision stärker voranzubringen: „Ich habe mir im neuen StadtLab gleich einen Slot für einen Videomapping-Workshop gesichert. Hier soll es um Lichtprojekte à la Genius Loci gehen. Das ist ein audiovisuelles Projektionsfestival in Weimar, wo Lichtinstallationen im öffentlichen Raum gezeigt werden. Zuerst habe ich daran gedacht, den Workshop im bestehenden StadtLab-Standort in der Löbderstraße durchzuführen. Aber hier drin (Dimitri zeigt auf die frisch gestrichenen weißen Wände) hat man einfach perfekte Projektionsflächen.“

Jetzt mitmachen!

Du möchtest das neue StadtLab am Markt von innen sehen und nutzen? Du hast eine besondere Idee, die du schon immer mal unter Realbedingungen testen wolltest? Du willst mit einem innovativen Nutzungskonzept oder einer Geschäftsidee dazu beitragen, die Jenaer Innenstadt zu bereichern? Dann schicke uns dein Kurzkonzept und werde Teil des StadtLab Jenas!

Wir freuen uns auf deine Ideen.

Dein StadtLab Jena-Team