Spätestens mit Beendigung der Schule stellt sich die Frage aller Fragen: Wohin geht der zukünftige berufliche Weg? Studium, Lehre, freiwilliges Jahr oder doch lieber eine Reise ins Ausland? Folge ich meinen Talenten oder eher den finanziellen Zukunftsperspektiven, den besten Aufstiegschancen oder einer passenden Work-Life-Balance? Die Zahl der Möglichkeiten ist nahezu unbegrenzt, und lediglich 35 Prozent aller schulischen Absolvent:innen können nach dem schulischen Abschluss bereits mit einem konkreten Berufswunsch aufwarten. Natürlich ist nicht jede Entscheidung die richtige und erst recht keine für die Ewigkeit. Doch ein Neuanfang ist nicht immer einfach – vor allem nicht, wenn der Weg, den man gerade geht, so beschaffen ist, dass man ihn zwangsläufig wechseln müsste.
So ergeht es auch Sibylle Grundeis. Die studierte Kunstlehrerin belegte mit ihrer Idee eines offenen, künstlerischen Keramikstudios mitten in der Innenstadt den dritten Platz beim Ideenwettbewerb im StadtLab. Einige Monate später ist sie ihrem Traum bereits ein ganzes Stück näher gerückt. Zwar verdecken noch die Aufkleber des Vormieters den Blick in ihr eigenes kleines kreatives Reich, doch im Inneren versprechen erste Einrichtungsgegenstände, dass hier bald kreativ getöpfert werden kann. Im Gespräch erzählt sie von ihren Plänen und Ideen und erklärt, warum diese im Laufe ihrer Karriere immer mehr in den Mittelpunkt rückten.
„Schon als Kind fiel es mir schwer, irgendwo reinzupassen. Ich habe früh gemerkt, dass ich mich nicht immer so verhielt, wie es von mir erwartet wurde. Jetzt, als Mutter, merke ich, dass es meinem eigenen Sohn oft genauso geht. Wir beide reagieren sehr sensibel auf Reize und lassen uns nach außen hin schnell ablenken. Neulich haben wir zum Beispiel zusammen Hausaufgaben gemacht. Während ich schnell fertig werden wollte, war er abgelenkt und rief: ‚Mama, schau doch mal nach draußen.‘ Ich drängte ihn, aufzupassen und weiterzumachen, aber er meinte nur: ‚Du verpasst etwas, wenn du nicht schaust!‘ Als ich dann endlich aus dem Fenster sah, war der Himmel wunderbar rosa. Ein toller Anblick. Er hatte recht. Ich hätte wirklich etwas verpasst. Als Kind ging es mir genau wie ihm: Ich ließ mich schnell ablenken und nahm andere Dinge wahr. Dennoch hatte ich nicht das Gefühl, dass dies gut oder gewollt ist. Kreativität war daher für mich etwas, das mich nicht nach Andersartigkeit bewertete. Hier habe ich mich eher gefunden als in der realen Welt.
Lehrerin bin ich eigentlich aus Vernunftgründen geworden. Es war der Wunsch meiner Familie, dass ich mir einen Beruf suche, der auch sicher ist. Und das habe ich dann auch gemacht. Allerdings habe ich auch gemerkt, dass ich das nicht wirklich bin. Dieses Angepasste, dieses Sich-an-alle-Regeln-Halten – das fällt mir unglaublich schwer, und ich bekomme oft Rückmeldungen, dass mir das nicht so gut gelingt. Ich glaube, im kreativen Schaffen ist das völlig egal. Da kann ich viel freier agieren. Heute ist mir das auch wesentlich klarer, und ich kann diese Seite von mir zulassen. Durch diesen Schritt, mein eigenes Keramikstudio zu verwirklichen, kann ich meinem Kind viel mehr vorleben, dass man nicht immer strikt seinen Weg gehen muss. Dass man Dinge auch mal anders machen kann, wenn einem danach ist. Das ist mir sehr wichtig.
Kreativ sein – inner- & außerhalb der Schule
Ich arbeite bereits seit zehn Jahren als Kunstlehrerin und eigentlich ist der Beruf an sich sehr schön. Solange man in gewissen pädagogischen Grenzen bleibt, hat man viele Freiheiten in der Umsetzung. Man kann viel Kreativität ausleben. Was mir jedoch schwerfällt, ist, mit der Struktur des Systems klarzukommen. Hier denke ich, dass viele Dinge nicht mehr aus der Sicht der Schüler gesehen und geplant werden. Es ist alles sehr bürokratisch geworden. Oft unnachvollziehbar bürokratisch. Dass die Kindersicht im Schulsystem überhaupt nicht präsent ist, hat mich in den letzten Jahren wirklich unglücklich gemacht. Allerdings war ich auch schon immer nebenbei künstlerisch tätig und hatte rund zehn Jahre lang ein kleines Atelier in der Kulturfabrik Apolda. Als diese geschlossen wurde, war ich damals sehr traurig. Denn dort konnte ich arbeiten, kreativ gestalten oder auch einfach nur sein. Dort hat mich niemand nach meiner Leistung beurteilt.
Diese Erfahrung prägte meine Entscheidung, irgendwann auch einmal selbstständig sein zu wollen. Zwar denke ich, dass der Druck letztlich der gleiche ist wie bei Angestellten und man auch als Selbstständige gewisse Kriterien erfüllen sowie Regeln einhalten muss. Und trotzdem komme ich hier an diesen Ort und erlebe meine eigene Arbeit. Alles, was ich hier produziere, habe ich selbst gemacht, von der Pike an. Ich glaube auch, dass Menschen dieses Gefühl brauchen: mit Personen in Kontakt zu kommen, die hinter ihrem Produkt stehen – einem Produkt, das authentisch ist. Dass ich diesen Schritt künftig gehen kann, liegt auch daran, dass sich meine Lebensumstände geändert haben und mein Partner mich wirklich sehr unterstützt. Wir sind eine Patchworkfamilie mit drei Kindern, und es ist für mich viel wichtiger geworden, eine Arbeit zu haben, die mir selbst Kraft liefert – auch damit ich diese an meine Familie weitergeben kann.
Die Ausschreibung zum Ideenwettbewerb des StadtLabs war damals für mich wie ein Startschuss. Ich habe vorher viel mit Leuten diskutiert, wie ich meine Idee überhaupt angehen könnte. Die Antwort war immer: ‚Sobald du dich damit beschäftigst, wird das auch in Gang kommen.‘ Und so war es dann auch. Ich bin mir heute viel klarer darüber, dass ich mit meiner Arbeit auch etwas an andere weitergeben möchte. Dass ich als Person ein Teil dieser Stadt sein möchte. So habe ich auch bei dem Wettbewerb meinen Pitch vorgetragen – gar nicht so sehr mit meinem eigenen Thema, sondern mit dem, was es hier für Menschen gibt, die mit ihrer Arbeit und ihrem Angebot Jena repräsentieren. So ist es mein Traum mit diesem Laden hier auch anderen einen Ort zu geben, an dem sie Kraft schöpfen können. Nehmen wir zum Beispiel junge Mütter: Hier gibt es zahlreiche Angebote im sportlichen Bereich, aber nichts, wo sie einfach einmal sitzen und etwas für sich tun können. Das fehlt total. Man kann sich und sein Kind immer optimieren, aber nach einer Geburt muss man auch ein bisschen heilen. Deswegen ist es hier auch gemütlich und keine reine Werkstatt. Man soll sich hier wohlfühlen. Ich bin gespannt, ob die Jenenser das annehmen.“
Mittlerweile steht die Eröffnung des neuen Ateliers „JenCeramics“ von Sibylle Grundeis kurz bevor: Am Samstag, den 28. Juni 2025 wird sie am Nachmittag die Türen zu ihrem Raum in der Saalstraße 9, Ecke Unterlauengasse öffnen.
Interessierte sind herzlich eingeladen, an diesem Tag bereits einen Blick in die kreativen Räumlichkeiten zu werfen!
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